Go buy yourself a fucking life, will you please?

Die Arbeit “GO BUY YOURSELF A FUCKING LIFE, WILL YOU PLEASE!” ist eine verbildlichte Darstellung der Anzahl von Besitztümern und deren zahlenmäßiger Anstieg in einem mittelständischen Haushalt über die Jahrhunderte hinweg.

Die Anzahl der Papierstücke, die mit der weißen Seite nach oben vernäht wurden, beträgt 1252. 1251 davon sind Stellvertreter für jeweils 12 Dinge, die sich in einem Haushalt finden lassen. Das letzte trägt den titel.


Die nachfolgenden Zahlen basieren auf Schätzungen, da zu diesem Thema keine umfassenden, wissenschaftlich fundierten Zahlen existieren.

 

BLAU kennzeichnet Stücke, die den durchschnittlichen Besitz im 15. Jahrhundert darstellen.

GRÜN kennzeichnet Stücke, die den durchschnittlichen Besitz im 19. Jahrhundert darstellen.

VIOLETT kennzeichnet Stücke, die den durchschnittlichen Besitz in den 1950er Jahren darstellen.

ROT kennzeichnet Stücke, die den durchschnittlichen Besitz im 21. Jahrhundert darstellen.

 

Das ergibt:

15. Jahrhundert:42 Stücke =504 Dinge im Haushalt

19. Jahrhundert:125 Stücke =1.500 Dinge im Haushalt

1950er Jahre:250 Stücke =3.000 Dinge im Haushalt

21. Jahrhundert:834 Stücke =10.008 Dinge im Haushalt

 

Wie Sie erkennen können, steigt die Menge an Besitztümern im Zuge der Industrialisierung sprunghaft an. Dies liegt nicht nur an der Einführung der industriellen Massenproduktion und damit der Möglichkeit Güter in großer Zahl für breite Bevölkerungsschichten anzufertigen, sondern auch daran, dass das Bedürfnis über Besitz bewertet zu werden in negativem Maß von unserer Gesellschaft Besitz ergriffen hat.

“The things you used to own,

now they own you.”

Chuck Palahniuk, Fight Club

Palahniuk fasst das Dilemma des hochgepriesenen Fortschritts in seiner Komplexität prägnant zusammen – und trifft den Nagel auf den Kopf. Von alters her hatte alles, was man besaß, einen konkreten Nutzen im jeweiligen Alltag. Besitz heute soll darüber hinaus unseren Wert zeigen, uns und unsere Umgebung schmücken und Individualität vermitteln.  Diese Art von Besitz zieht in der Regel weitere Handlungen nach sich, da das Belohnungszentrum im Hirn nur für kurze Zeit befriedigt ist und ein ständiges Nachjustieren der Besitztümer folgen muss (Warengruppen "auf den neuesten Stand bringen", Vorreiter bei neuen Entwicklungen sein, im Trend liegen, Pflege des Besitzes).  Dies bedeutet, dass in einem mittelständischen Haushalt erhebliche Lebenszeit für die Erfüllung von, für das Leben nicht notwendigen, Wünschen gearbeitet werden muss.

Wir arbeiten nicht mehr, um unser Leben zu finanzieren, sondern um Güter zu besitzen, die unser Leben komplettieren und dessen Annehmlichkeit steigern sollen. Wir haben das Ziel aus den Augen verloren und sind dabei den Weg abschnittsweise mit Marmor, dann wieder mit Polsterung auszukleiden.

 

Als Ersatzhandlung können die 1251 weißen Papierstücke statt der Luxusgüter (alles, was den Grundbedarf an Essen, Kleidung, Wohnen und Mobilität übersteigt) gekauft werden. Die Handlung soll die eigentliche Sinnlosigkeit des Versuchs der Selbstverbesserung durch die Anhäufung von Dingen, die als persönliches Eigentum erachtet werden, aufzeigen. Die Papierstücke wurden von mir nach dem Zufallsprinzip mit Preisen versehen. Dies soll die scheinbare Willkür der Relation zwischen Preis, Wert, Größe eines Objekts und dessen Nutzen verdeutlichen. Indem ich versuche ein Stück Papier mit 12 Gütern gleichzusetzen, möchte ich die einengende Wirkung von Besitz aufzeigen. Die einengende Wirkung von Besitz ist sinnlich erfahrbar, sobald einzelne Papierstücke aus dem Kunstwerk entfernt werden. Mit zunehmender Entleerung steigt die räumliche Freiheit wieder an, wird neu nutzbar und schafft Weitblick.

Art in progress

Ich brauchte etwa ein Jahr um GO BUY YOURSELF A FUCKING LIFE, WILL YOU PLEASE! fertigzustellen. Die Arbeit selbst war eine sehr angenehme. Während ich arbeitete klang ein wenig die Ähnlichkeit mit dem Sticken in mir an. Eine typische Freizeitbeschäftigung für Frauen. Ich saß am Tisch, hatte vor mir ein Meditationskissen auf das ich immer zwei Papierstücke legte, deren übereinander liegende Ränder perforierte und sie dann mit Nadel und Faden aneinander nähte. Eine langsame, beruhigende Tätigkeit, die viel Licht braucht. Da ein Fleck von 35cm Durchmesser etwa eine halbe Stunde bis zur „Vollendung“ brauchte, begann ich irgendwann auch mit der Tageslichtlampe am Abend zu arbeiten, weil ich das Gefühl bekam sonst nie (nie nie) fertig zu werden. Auch nahm ich Papierstücke, Meditationskissen, Nadeln und Faden zu Freunden mit, in den Park oder auch, wenn ich meinen Wahlsohn zum Skateboarden in die Halle begleitete. Bis ich begann an der Schrift zu arbeiten und diese mit den weißen Teilen zu verbinden, verging etwa ein Dreivierteljahr. Die Arbeit an diesem Projekt störte den Familienalltag nicht, da ich die Papierflecke übereinander ablegen konnte und sie so nicht viel Platz beanspruchten. In der Wohnung moderater Größe können der Haushalt, Mein Partner, die Kinder und die Kunst gut nebeneinander existieren.

Die Herstellung kostete mich Augenlicht und auch einige Blutstropfen. Ich hörte Hörspiele. Arbeitete stundenlang. Fühlte mich angesprochen, ohne interagieren, oder antworten zu müssen. Für die Datierung der Papierstücke borgte ich mir einen Stempel von einer Kanzlei, die ihr Büro in unserem Haus hat.

Die Bepreisungsmaschine kaufte ich über das Internet. Die Arbeit hat mir Freude bereitet, ihre Fertigstellung noch mehr. Als ich GO BUY YOURSELF A FUCKING LIFE, WILL YOU PLEASE! zum ersten Mal in seiner gesamten Größe sah (beim Fototermin im Atelier Gentile) war ich berührt. Zu Hause hatte ich im Wohnzimmer gearbeitet, in dem wenige Dinge stehen, um mir die Arbeit zu Hause zu erleichtern. Ich hatte mein Projekt nie im Ganzen, sondern nur teilweise entrollt, diagonal im Raum liegend, betrachten können. Ich war erleichtert, als ich nach so langer Zeit sah, dass die Arbeit Qualität hatte.



Ihr Weg zu mir

Da mein Leben großteils mit Papier am Schreibtisch, am Boden oder an der Wand stattfindet, freue ich mich vor allem über analoge Kontaktaufnahme. Sie werden sehen, es gibt nichts Erfreulicheres, als endlich wieder einmal einen Brief von Hand zu schreiben. Oder Sie rufen mich an. Ach, Sie haben Ihr Telefon bereits in der Hand? 

 

Seeing as my life mainly centers on paper on desks, the floor or the walls available, I am most greatful for being contacted the oldfashioned way - be honest, when was the last time you actually wrote a letter by hand? Give it a try. You might enjoy it. Calling me would be another option - I say! You are holding your mobile this instant?

Mag. Maret Amtmann

Burggasse 17

A-8010 Graz

Tel: +43 699 8130 4949